Ein vielversprechender Ansatz zur Abmilderung des Fachkräftemangels könnte etwa in einem beschleunigten Tempo der Digitalisierung liegen. Vorerst bleiben die Hoffnungen aber auf die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung zur beschleunigten Einwanderung von Fachkräften gerichtet.
Von Stefan Mutschler, freier Journalist
Der Fachkräftemangel in Deutschland bleibt trotz einiger Rückgänge auf einem hohen Niveau. Laut dem aktuellen KfW-ifo-Fachkräftebarometer im April 2023 beklagen 42,2 Prozent der deutschen Unternehmen einen Mangel an Fachpersonal. Obwohl es im Vergleich zum Höchststand im letzten Herbst zu einer Verbesserung kam, bleibt der Fachkräftemangel historisch betrachtet weiterhin hoch.
Auch Sicherheitsindustrie hart getroffen
In der Sicherheitsindustrie ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften besonders spürbar. Unternehmen, die Sicherheitsdienstleistungen anbieten, stehen vor der Herausforderung, geeignetes Personal zu finden. Dies betrifft sowohl Fachkräfte für die physische Sicherheit als auch für die IT-Sicherheit. Der Schutz vor digitalen Bedrohungen wird dabei immer wichtiger, da Unternehmen vermehrt mit Cyberangriffen und Datenlecks konfrontiert sind. Laut einer aktuellen Studie, die von Netskope in Auftrag gegeben wurde, werden in den nächsten fünf Jahren nahezu alle Unternehmen (99,5 Prozent) aktiv im Bereich der IT tätig sein.
Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die IT-Abteilungen. Jedes vierte Unternehmen (28 Prozent) ist schon dabei, sein Sicherheitsteam zu erweitern. Das soll weiter an Fahrt aufnehmen, denn aufgrund der wachsen Cloud-Nutzung sind noch deutlich stärkere Erweiterungen nötig, um den neuen Aufgabenbereich abzudecken. Schon aktuell zeige sich aber, dass bereits 46 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten haben, geeignete Kandidaten zu finden.
Ursachenforschung: Warum Fachkräfte in Deutschland fehlen
Der Fachkräftemangel hat verschiedene Ursachen. Eine davon ist die demografische Entwicklung Deutschlands. Durch die alternde Bevölkerung gibt es weniger junge Menschen, die den Arbeitsmarkt betreten. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Fachkräften durch den technologischen Fortschritt und den digitalen Wandel. Dies führt zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt.
Ein weiterer Faktor ist die mangelnde Attraktivität bestimmter Berufe. Insbesondere in der Sicherheitsindustrie sind die Arbeitsbedingungen oft herausfordernd und die Bezahlung nicht immer angemessen. Dies schränkt die Anziehungskraft dieser Berufe ein und erschwert die Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte.
Die Lünendonk-Studie 2021 zur Sicherheitsbranche in Deutschland liefert dazu wertvolle Einblicke. Die teilnehmenden Sicherheitsdienstleister sehen die Personalentwicklung als wichtigstes Investitionsfeld angesichts des anhaltenden Personalmangels. Qualifiziertes Personal und Zertifizierungen werden als Schlüssel für den zukünftigen Erfolg angesehen. Die Studie zeigt auch, dass sich Sicherheitsunternehmen auf veränderte Kundenerwartungen einstellen müssen, insbesondere in Bezug auf Transparenz im Berichtswesen und schnelle Verfügbarkeit von Personal. Ausfälle während laufender Events wie Sport- oder Kultur-Veranstaltungen wirken sich negativ auf das Image der Sicherheitsunternehmen und der gesamten Branche aus.
Es besteht ein Nachbesserungsbedarf auf beiden Seiten – sowohl Unternehmen als auch Kunden: Die Sicherheitsdienstleister sollten die Qualifizierung und Verfügbarkeit ihrer Mitarbeiter verbessern können, während die Kunden bereit sein sollten, angemessene Preise für die Dienstleistungen zu zahlen. Dadurch könnten die Unternehmen ihre Mitarbeiter besser entlohnen und die Attraktivität des Berufsfeldes steigern.
Ansätze, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken
Um dem Fachkräftemangel nachhaltig entgegenzuwirken, bedarf es einer Kombination aus verschiedenen Maßnahmen. Eine vielversprechende Lösung liegt in der beschleunigten Digitalisierung, auch in der Sicherheitsbranche. Durch den Einsatz moderner Technologien und digitaler Lösungen können Arbeitsprozesse effizienter gestaltet werden, was den Bedarf an Fachkräften verringern könnte. Eine verstärkte Investition in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften ist ebenfalls von großer Bedeutung. Durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen können vorhandene Potenziale besser genutzt und Lücken im Arbeitsmarkt geschlossen werden.
Darüber hinaus spielen die Attraktivität von Berufen und eine angemessene Entlohnung eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, die Sicherheitsindustrie als attraktiven Arbeitsbereich zu positionieren und Fachkräften Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten.
Fazit
Der Fachkräftemangel in Deutschland, insbesondere in der Sicherheitsindustrie, stellt weiterhin eine große Herausforderung dar. Ein beschleunigtes Tempo bei der Digitalisierung könnte ein vielversprechender Lösungsansatz sein. Da jedoch auch in der IT und in der IT Sicherheit Fachkräfte Mangelware sind, bleibt auch dieser Ausweg vorerst versperrt.
So bleiben die Hoffnungen auf einer schnellen Wirkung der aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung. Mit dem Beschluss des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes am 23. Juni hat sie einen bedeutenden Schritt unternommen, um Deutschland als attraktives Ziel für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu positionieren. Diese wegweisende Gesetzesreform zielt darauf ab, den Prozess der Stellensuche und -annahme für ausländische Fachkräfte deutlich zu vereinfachen.
Ein zentrales Element des neuen Gesetzes ist die Einführung eines Punktesystems nach kanadischem Vorbild, das die Auswahl und Bewertung potenzieller Einwanderer erleichtern soll. Zudem wird die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtert. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser sei damit jedoch erst der erste Schritt getan, denn nun gelte es, Bürokratie maßgeblich abzubauen, um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu gestalten. Langfristig bedarf es jedoch eines ganzheitlichen Ansatzes, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Sicherheit Deutschlands nach vorne zu bringen.